Coffee to go: Warum steht der Einwegbecher im Fokus, was sind die Probleme, was mögliche Alternativen?

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Der Einwegbecher ist alleinstehend und symbolisch in den Fokus des Interesses gerutscht als Gegenstand der "Ex und Hopp"-Gesellschaft in mobilen Zeiten.

Der to-go-, Außer-Haus- oder Unterwegsmarkt wächst seit Jahren und wird dies den Erwartungen der EUWID-Gesprächspartner zufolge auch weiterhin tun. Im Verpackungsmarkt gehören neben den Getränkebechern aus Papier dazu alle Kartons, Schalen und Behältnisse aus den unterschiedlichen Packstofffraktionen, aus denen Verbraucher unterwegs unproblematisch Lebensmittel konsumieren können – die Welt ist mobil geworden, die Zeiten, in denen das Brot zuhause geschmiert und der Kaffee in der Thermoskanne mitgenommen wird, sind vorbei. Der Getränkebecher ist nun alleinstehend und symbolisch in den Fokus des Interesses gerutscht, nicht zuletzt durch die Bestrebungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Berlin. Letztere starteten am 2. September 2015 das Projekt „Becherheld – Mehrweg to go", das für wiederverwendbare Alternativen zu Einwegbechern und für ein Ende der Wegwerfmentalität werben will. Im Zuge dessen fordert die DUH eine Abgabe auf Einwegbecher in Höhe von 20 Cent. Gefördert wird das Projekt von der Stiftung Naturschutz Berlin (SNB) aus Mitteln des Förderfonds „Trenntstadt Berlin". Trenntstadt Berlin ist eine Initiative der Berliner Stadtreinigung (BSR) und ihrer Partner ALBA, Berlin Recycling, Bartscherer und Stiftung Naturschutz Berlin.

Verlässliche Zahlen für den Markt für Einwegbecher gibt es nicht

Obwohl das Produkt Getränkebecher aus Papier ein sehr greifbares Produkt ist, sind Marktdaten derzeit nicht vorhanden. Genaue Angaben über die im deutschen Markt abgesetzten Mengen variieren oder haben eine unterschiedliche Basis. Die DUH hatte in den letzten Monaten über einen Verbrauch in Deutschland von jährlich mehr als 2,8 Milliarden Coffee to go-Bechern berichtet und hatte selbst eine Studie bei TSN Emnid, Bielefeld, zum Stand der Dinge in Auftrag gegeben (Stand Juni 2015). Unterschiedliche Branchenkenner halten diese Zahl für zu hoch angesetzt. AkzoNobel, ein Unternehmen aus der Farben- und Lackindustrie und ein Hersteller von Spezialchemikalien, hatte im August 2014 ein neues Produkt für die Beschichtung von Getränkebechern vorgestellt und berichtet, dass jedes Jahr rund 200 Mrd Pappbecher – hier jedoch Heiß- und Kaltgetränke zusammengefasst – weltweit abgesetzt werden. Auch die Zahlen des Umweltbundesamtes, Berlin, für das Jahr 2012 – die zuletzt verfügbaren Zahlen – in der Publikation „Aufkommen und Verwertung von Verpackungsabfällen in Deutschland im Jahr 2012" im Bereich Einwegbecher sind eher eine grobe Zusammenfassung. Enthalten sind sowohl Kunststoffbecher als auch Pappbecher. Die Studie berichtet über einen Anstieg von 30.000 t auf 106.000 t in der Zeit von 2000-2012, es heißt jedoch, dass die Zahlen für 2000 niedrig angesetzt worden waren. Die dort veröffentlichen Zahlen fassen die Geschäftsfelder Fast-Food, to-go und Automatenware zusammen, Heiß- und Kaltgetränke, inklusive Kunststoffdeckel und ggf. Kunststoffstäbchen zum umrühren. Der Wert, bzw. die Menge – auch wenn das Jahr 2000 etwas niedrig angesetzt gewesen ist und alle Sorten an Einwegbechern zusammengefasst sind – hat sich in den zwölf Jahren rund verdreifacht, was das Wachstum des Marktes zeigt. Aber Tatsache ist, dass es derzeit keine unabhängig belegten und dokumentierten Zahlen über den Markt gibt, weder gesamt, noch nach Materialfraktion.

Die nicht konkret zu erfassenden abgesetzten Mengen spiegeln auch die Verhältnisse im Markt wider. Dieser besteht zum einen aus unterschiedlichen Varianten an Einwegbechern (Kunststoff, Papier mit PE-Beschichtung) und ist nicht nur „Kaffeebecher". Im Einwegbecher aus Papier befinden sich auch Softdrinks. Marktteilnehmer erklärten gegenüber dem EUWID, dass die Pappbecher bzw. die Beschichtung der Becher aus Papier bei einem Kaffeebecher und einem Softdrinkbecher identisch sind. Es handelt sich um einen – je nachdem ob Heiß- oder Kaltgetränk – einseitig oder beidseitig mit Polyethylen (PE) beschichten Karton. Zudem stellt sich die Frage nach der Machbarkeit der Erhebung der Marktdaten und der späteren Umsetzung einer möglichen Abgabe oder eines Pflichtpfandes, denn die Verkaufs- und Nutzungsorte des Einwegbechers sind breit gestreut. Einwegbecher aus Papier gibt es nicht nur bei Bäckereien – die immer wieder als Beispiel genommen werden – sondern in Automaten an Tankstellen, in Fast-Food-Ketten, im Supermarkt und im Internet für Endkunden, in Wasserspendern, auf Großveranstaltungen, in Stadien. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich ein im Einzelhandel gekaufter Papierbecher von einem Becher beim Bäcker unterscheide.

Als 2003 die Pfandpflicht im Bereich Getränkeverpackungen eingeführt wurde, veröffentlichte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit einen Erklärung dazu: „Die Pfandpflicht beschränkt sich allerdings auf diejenigen Getränkebereiche, bei denen eine Abwägung des ökologischen Nutzens des Pflichtpfands einerseits mit dem ökonomischen Aufwand eines Rücknahme- und Pfandsystems andererseits die Einrichtung eines solchen Systems rechtfertigt. Der hohe Aufwand eines Rücknahme- und Pfandsystems rechtfertigt sich insbesondere nur bei einem ausreichend hohen Marktvolumen, das die Einrichtung eines effizienten und flächendeckenden Pfand- und Rücknahmesystems oder die Beteiligung an einem solchen ermöglicht. Dies gilt für die in § 9 Abs. 2 Verpackungsverordnung aufgeführten Getränke, also Bier, Mineralwasser, Erfrischungsgetränke und alkoholhaltige Mischgetränke, die zusammen den Löwenanteil am Getränkemarkt ausmachen."

Warum ist der Papierbecher „schlecht“, gibt es Alternativen zur Abgabe?

 Aus Sicht der Gegner des Coffee-to-go-Bechers ist es ein zu viel an Abfall, zu viel unnütz verwendete Rohstoffe, zu viel Wasser für die Herstellung. Dabei ist der Rohstoff für den Getränkebecher aus Karton genau genommen ein Frischfaserprodukt, das über das Recycling in die Wiederverwertung und Herstellung von Neupapieren gebracht werden könnte. Hier jedoch, so ist aus Branchenkreisen zu hören, liegt der erste „Stolperstein". Die Einwegbecher aus Karton werden nicht getrennt erfasst. Und da die Becher aufgrund ihres Verbundes Papier/PE eine längere Zeit im Pulper benötigen als Nicht-Verbunde, werden sie in der Papierfabrik als Störstoff erkannt und als Spuckstoffe aussortiert.

Die Getränkebecher müssten sortenrein geliefert werden, dann wäre die Verarbeitung möglich, erklärten Marktkenner. Einen zweiten „Stolperstein" stellt das Produkt Kaffee dar, bzw. die Reste des Kaffees, die sich ggf. im Becher befinden. In der Europäischen Liste der Altpapier-Standardsorten (DIN EN 643:2014) heißt es unter 2.2 unzulässige Materialien sind alle Materialien, welche eine Gefährdung der Gesundheit, Sicherheit und Umwelt ausmachen wie [...] organischer Abfall. Organischer Abfall ist alles aus pflanzlicher und tierischer Herkunft, somit auch Kaffee. Pappbecher befinden sich auch in der Standardsortenliste in der Tabelle 5-Gruppe 5 Sondersorten Punkt 5.1400. Zu der Gruppe 5 heißt es allerdings: Sondersorten: Altpapiersorten in dieser Gruppe können nur mit einem Spezialverfahren oder in den meisten Fällen mit Einschränkung recycliert werden.

Mit einer anderen Beschichtung, durch die ein Becher direkt dem „normalen" Altpapier zugeführt werden könnte – ohne andere Verfahren oder längere Zeit – könnte der Karton genutzt werden. Daher wird von den Branchenteilnehmern mit großem Interesse der neue Karton von Kotka Mills, Kotka, erwartet. Der Kartonhersteller erklärte, dass sein Getränkebecher direkt dem Altpapier zugeführt werden kann. Bei den Finnen wird als Beschichtung ein wasserbasiertes Dispersionscoating eingesetzt, heißt es gegenüber EUWID. Die sogenannte ISLA-Produktpalette ist für die Herstellung von Food-Service-Verpackungen konzipiert, unter anderem für Einwegbecher. Da die aufgetragenen Dispersionsbarrieren voll recycel- und repulpierbar sind, können diese Einwegprodukte nach Gebrauch gemeinsam mit dem normalen Papierabfall entsorgt werden. Das bedeutet, dass diese hochwertigen Fasern nicht verloren gehen, sondern erfasst und wiederverarbeitet werden können, erklärt Kotka. Da die Mitbewerber derzeit dieses Projekt genau beobachten, will der Hersteller nicht mehr zu dem Verfahren sagen. Dem Unternehmen zufolge ist das Produkt auch für Heißgetränke geeignet.

Aber es gibt noch weitere Wege und die Hersteller arbeiten an Lösungen. In der Papierfabrik von Model AG, Weinfelden, wurden in den zurückliegenden drei Jahren Tests durchgeführt mit dem Ziel, schwer lösliche Papiere stofflich zu verwerten. Beispielsweise Getränkekartons, nassfeste und krafthaltige Papiere. Beim getesteten Verwertungsprozess im Pulper werden weder Chemie noch Wärmeenergie benötigt. Die Auftrennung des Verbundmaterials geschieht hier rein mechanisch durch den Zerreissflügel. Grundsätzlich wird derselbe Prozess angewendet wie bei der Verwertung von Altkarton. Papier und Karton haben im Pulper eine Verweilzeit von drei bis vier Minuten, Getränkekartons und Spezialpapiere hingegen eine von zehn Minuten, damit das Wasser besser zwischen die Schichten der Verbundverpackung eindringen und die Papierfaser herauslösen kann. Diese werden später für die Herstellung von Wellpappenrohpapieren eingesetzt. Mehr möchte Model derzeit zum dem Projekt nicht ausführen.

Unterschiedliche „Kaffeehäuser" bieten Lösungen an, Rechtslage unklar.

Der Vorschlag der DUH ist es, Mehrwegbecher statt Einweg einzusetzen. Das ist zwar prinzipiell möglich, ist aber nicht ganz unproblematisch. Die Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich unterliegen Hygienevorschriften, die teilweise sehr enge Spielräume lassen und vor allem sicherstellen sollen, dass Risiken für den Konsumenten ausgeschlossen werden. Die Auffassungen über diese Alternative gehen in den Fachbehörden auseinander. So kommt das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zu dem Ergebnis, dass das Befüllen von selbst mitgebrachten Getränkebehältern in Restaurants/Kaffees aus „hygienischen Gründen" unterbleiben sollte. Grund: Es könne nicht sicher festgestellt werden, welchen Hygienestatus die selbst mitgebrachten Getränkebecher haben (s. EUWID VP 6/2016). Wie die Hygiene sichergestellt werden soll, erklärt die DUH auf ihren Seiten. Zum einen heißt es dort für die betroffenen Mitarbeiter: „Überprüfen Sie mitgebrachte Becher visuell auf Sauberkeit und Fremdkörper." Bei groben Verunreinigungen ist dies sicherlich machbar, in Zeiten von Grippewellen und Noroviren aber eher fraglich, da sich diese nicht mit bloßem Auge erkennen lassen. Weiter heißt es: „Desinfizieren Sie bei möglichen Verschmutzungen mitgebrachte Becher mit heißem Wasser, heißem Dampf und dem Einsatz eines geeigneten Reinigungsmittels." Zum einen ist die Frage, wie lange dies in der Praxis dauern wird, zum anderen gibt es Mutmaßungen, dass das Reinigen der Mehrwegbecher (mit Hitze und Spülmittel) nicht gesichert auf Dauer ökologischer ist als der Einsatz eines Einwegbechers. Außerdem ist es schon heute dem Endverbraucher möglich, bei einigen Kaffeeanbietern seinen Becher selbst mitzubringen, am wohl bekanntesten ist die Herangehensweise von Starbucks, die eine Vergünstigung von 30 Cent gewähren. Auch kann der Konsument generell bei jedem Kaffeeanbieter einen Kaffee im normalen Keramikbecher bestellen und diesen selbst in seinen Thermo-/Mehrwegbecher einfüllen. Der Markt wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch künftig weiter wachsen. Aktuell haben unterschiedliche Medien berichtet, dass Coca-Cola im Kaffeegeschäft mitmischen will. Das Unternehmen will seine Aktivitäten mit Kaffee, Tee und Kakao für den Unterwegsmarkt ausbauen und investiere verstärkt in dieses Geschäft.

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